Hat mein Kind Talent?

Gerade für das Tennis ist ein besonders breites Kompetenzprofil leistungsbestimmend. Dies macht einen besonderen Reiz dieser Sportart aus, nämlich dass recht unterschiedliche Begabungsprofile zum Erfolg führen können. Im hier verlinkten Aufsatz ist dies sehr übersichtlich dargestellt. siehe Talentdiagnostik (Tennis ab S. 17) Dort heißt es, nachdem auch interessante Beispiele zu Tenniskarrieren von Spitzenspielern beleuchtet werden, abschließend: „…Die Talentsuche sollte als Spaß und Freude vermittelnde Veranstaltung organisiert werden, damit die Kinder sich ohne überzogenen Leistungsdruck und nicht verkrampfend präsentieren können. …“ S. 20

Bei der Beurteilung des Leistungsstandes von jungen Spielern ist Realismus gefragt. Ray Bowers hat eine Blue-Diamond Line der Profispieler und -Spielerinnen aufgezeigt, die auch für den jungen Nachwuchs als zusätzliche Orientierung über das Machbare herangezogen werden kann.

Das Thema Talentsuche stellt sich eigentlich nur für den höheren Leistungsbereich. Im mittleren Leistungsbereich kann jedes Kind, das gesund und motiviert ist, also Spaß hat und früh genug anfängt, sagen wir mal mit 7 Jahren, als junger Erwachsener z.B. Bezirksklasse B erreichen.Oft fragen auch 10 bis 12-Jährige, ob sie noch Profi werden können (siehe eine solche Anfrage in einem Sportlerforum sowie die hilfreichen Antworten aus der Praxis). Siehe zum „Profizirkus“ auch unseren Beitrag Mein Kind spielt Turniere und die dort verlinkte Dissertation von Schwaegerl.

Ray Bowers von tennisserver.com hat für die absoluten Spitzenspieler der Vergangenheit untersucht, wie sich die Karriere in den ersten Jahren gestaltete.

Es zeigt sich, dass die jungen Damen fast zwei Jahre früher im internationalen Tennis sichtbar werden, weshalb wir ja auch für die Entdeckung neuer Schlagstile und Techniken schon von Anfang an empfehlen, besonders diesbezüglich die Damen zu beobachten (siehe Mit Videos von den Großen lernen).

Herren

Damen

Die Liste der Rising Stars bei den Damen sieht bei Ray Bowers folgendermaßen aus:

  1. Petra Kvitova, Tschechien, 22. J
  2. Sabine Lisicki, Deutschland, 22. J
  3. Christina McHale, USA, knapp unter 20 J
  4. Mona Barthel, Deutschland, 21 1/2 J
  5. Sloane Stephens, USA,  knapp unter 19 J
  6. Timea Babos, Ungarn, 18 3/4 J
  7. Laura Robson, Australien/England, gerade 18 J geworden

Die Kommentare haben wir unter diesem Link gesichert, falls der obige Link nicht mehr zu dem Artikel führen sollte.

Alle diese Spielerinnen sind erfüllen die Anforderungen der Blue-Diamond Line nach Ray Bowers.

Die Entwicklung des Kindes: Talentaufbau in frühesten Jahren.
Siehe auch diese schematische Darstellung zur Entwicklung der koordinativen Leistungen von Jens Dirk Thieß, bzw. auf unserem Server hier…. Siehe auch die Diskussion zur Wurfkompetenz im Spiegel-Forum hier…. , in der auch sehr interessante Einzelerfahrungen berichtet werden.

Gerade das Bewegungstalent der Kinder ist extrem abhängig von der frühzeitigen Schulung. Der Mensch wird motorisch weitgehend unentwickelt geboren. Er schläft im ersten Vierteljahr seines Lebens etwa 70-80% des Tages. In den Zeiten des Wachseins sind hauptsächlich ungerichtete Massenbewegungen zu beobachten. Das sind ungeordnete Bewegungen ohne Zielbezogenheit. Die Aneignung erster koordinativer Fähigkeiten beginnt ab dem 4. Lebensmonat: gezieltes Greifen, aufrechte Haltung, selbstständige Fortbewegung.

Erste Werfversuche können gegen Ende des ersten Lebensjahres in Form des Wegwerfens beobachtet werden. Bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres erfolgen dann schließlich beidhändige Schockwürfe ohne nennenswerte Einbeziehung des Rumpfes im Sinne von isolierten Armbewegungen.

Ab dem 4. Lebensjahr werden Bewegungskombinationen durchgeführt. In diesem Alter wird ein bemerkenswerter Niveauanstieg in nahezu allen koordinativen Fähigkeiten beobachtet; Roth und Winter kennzeichnen ihn als einen weitgehend linearen Anstieg (Roth & Winter, 2002). Dieser im Vergleich zu den vorhergehenden Lebensabschnitten jetzt rasche Niveauanstieg ist als Folge der „Lebenstätigkeit“ zu werten (Leontjew, 1982).

Charakteristisch ist besonders das ausgeprägte Spiel-, Bewegungs- und Betätigungsbedürfnis der Kinder. Umfangreiche Untersuchungen zur Ontogenese der koordinativen Fähigkeiten wurden durch Hirtz durchgeführt. Er ordnet die weitere Altersentwicklung wie folgt ein:

Die intensivste Entwicklungsphase der koordinativen Fähigkeiten liegt zwischen dem 7. und 11. Lebensjahr. Im frühen Erwachsenenalter erreichen sie ihren Höhepunkt (Hirtz, 1981 und Schielke, 1989).

Laut Winter setzt die Ausprägung koordinativer Fähigkeiten eine nachhaltige Koordinationsschulung voraus (Winter, 1981). Die Rolle einer konsequenten Schulung der koordinativen Fähigkeiten unterstreicht ein breit angelegter Feldversuch von Hirtz:

11jährige Schüler erzielten nach einem intensivierten Koordinationstraining Leistungen, die über denen 15-16jähriger Schüler der Grundgesamtheit ohne intensiviertes Koordinationstraining lagenEs kam praktisch zu einer Verdoppelung des „Normalzuwachses“.

Derartige Steigerungen sind in späteren Entwicklungsphasen mit den gleichen Mitteln nicht mehr zu erreichen (Hirtz, 1981). Auch Meyners (1985) betont, dass spätere Mängel nicht anlagebedingt zu erklären, sondern eher als Produkt fehlender Förderung im Kindesalter zu interpretieren seien. Die frühzeitige Entwicklung der koordinativen Fähigkeiten sei für den später zu ereichenden Höchstgrad entscheidend (Meyners, 1985). Auch andere Autoren betonen die Bedeutung einer frühen Schulung der koordinativen Fähigkeiten (Jonath, 1988; Samac, 1998). Quelle Diss Jens Dirk Thieß, Homosexualität und Ballweitwurf, S. 15 f

Für den Spitzenbereich sollte man mit drei oder vier Jahren beginnen, oder noch früher. In diesem Alter haben auch Nadal und Federer mit Tennis angefangen.

Achtung, Trainer und Vereinsfunktionäre haben ihre eigenen Interessen.
Sicher, man muss schon den Fachleuten vertrauen, wenn man nicht selbst ein sehr guter Tennisexperte ist. Aber eine gesunde Skepsis ist angebracht. Im Tennis ist das vielleicht weniger ausgeprägt, aber es ist bekannt, dass im deutschen Vereinswesen der Trainerergeiz oder die Ziele eines Vereins in Richtung Leistungsförderung durchaus nicht immer mit den Wünschen der Eltern übereinstimmen müssen und sich dann in gewisser Weise verselbstständigen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert